Ritter und Räuber
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Ritter und Räuber

Robin of Sherwood Rollenspielforum
 
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 Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode

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Ralph de Warenne
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BeitragThema: Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode   Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode EmptyDo März 04, 2021 1:29 pm

Diese Geschichte ist als Adventskalendergeschichte in 24 Posts entstanden. Jeder Post entspricht einem Tag im Advent. Die Geschichte ist ein Geschenk vom Hauptmann an Alan a Dale aus dem Jahre 2019.

Die Welt war fade. Wie ausgewaschen hing der Himmel über Sherwood. Die bleiche Sonne hatte keine Kraft sich durch Wolken und Nebel zu schmelzen. Schnee lastete schwer auf den Zweigen. Kalter Winterwind fegte über das Land. Ein Rotkehlchen hockte zerzaust auf einem Ast. Zu Eis erstarrt lagen Flüsse und Seen. Das Leben hielt inne. Und das seit Tagen und Wochen. Ein Winter ohne Ende!

Es war so viel Schnee gefallen, wie seit Jahren nicht. Niemand würde bei diesem Wetter auch nur einen Fuß aus der Türe setzen. Niemand, der einen warmen Herd sein eigen nannte. Niemand mit Verstand. Und doch war er hier draußen unterwegs. Allein. 

Mühsam trieb er sein Pferd durch Schneewehen, über hart gefrorene Wege und vereiste Pfützen. Ares schnaubte hin und wieder unwillig. Und Ralph konnte es ihm nicht verdenken. Weißer Rauch stieg aus den Nüstern des Pferdes auf. Auch Ralphs Atem dampfte in der eisigen Luft. Seine Finger in den ledernen Handschuhen umklammerten taub die Zügel. Er fluchte lauthals auf den Sheriff, während er sich vorwärts quälte. Dieser Auftrag war das dämlichste, dass er in seinen Jahren im Dienste de Rainaults erlebt hatte. Ein Botenritt durch Frost und Schnee. Da half es auch nicht, dass es eigentlich schon Anfang März war.

Es war ein Himmelfahrtskommando. Entweder erfror man oder Hood erwischte einen. Er mochte schimpfen, wie er wollte, es würde nichts ändern. Er musste weiter, musste den nächsten Ort erreichen, ein Kloster, ein Dorf, irgendetwas, wo man ihm Unterschlupf bieten konnte für die Nacht. Wenn er hier verweilte, würde er erfrieren. 

„Komm, vorwärts Ares!“, versuchte er sein Tier zu ermuntern. Ein unwilliges Wiehern antwortete. Der Trott jedoch wurde keinen Deut schneller. Ralph knurrte. Obwohl er wusste, dass er bei diesen Straßenverhältnissen nicht mehr von dem Tier erwarten konnte. 

Der Wald rückte näher zusammen, der Pfad wurde schmaler und dunkler. Allmählich stieg der Waldboden zur Rechten und zur Linken an. Ein Hohlweg. Ideal für einen Überfall. Ralph sah sich unwillkürlich um. Er spürte, wie sich ihm die Nackenhärchen aufstellten. Wenn Hood hier auf ihn lauerte, hatte er leichtes Spiel. Der Hauptmann schluckte trocken. Und versuchte noch einmal Ares anzutreiben, er gab ihm die Fersen. Das Tier schien zu spüren, dass es hier nicht geheuer war und fiel in einen leichten Trab.

Ein Käuzchen, wohl aus dem Schlaf aufgeschreckt, rief laut. Was hatte den Schlaf des Vogels gestört? Ralphs Kopf ruckte herum. Hatte er dort nicht einen Schatten zwischen den Bäumen gesehen?  Irgendetwas bewegte sich im Dunkel des Waldes. Irgendetwas! Und es war nichts Gutes!


Ares wurde unruhig. Er warf den Kopf, wieherte, zerrte an den Zügeln. Ohne Ralphs Zutun erhöhte das Pferd sein Tempo. 

„Ruhig, mein Guter, ganz ruhig!“ Ralph tätschelte den Hals seines Tieres. Zugleich aber sah er sich um, versuchte, den Wald mit seinen Blicken zu durchdringen. 

Es raschelte. 

Vielleicht nur ein Reh. Oder ein Wildschwein. Schlimmeres wollte er nicht denken. Nur nichts herauf beschwören.

Als das Heulen anhob, zuckte er zusammen. Wölfe! Ares tat einen Satz zur Seite, dann stieg er. So unvermittelt, dass Ralph sich kaum halten konnte. Plötzlich raste das Tier  kopflos den Weg entlang. Ralph legte die Schenkel fester an und rutschte sich im Sattel zurecht. Behutsam versuchte er Ares zu lenken und selbst nicht herunter zu fallen. Er konnte einzig hoffen, dass sein Pferd nicht an einer Wurzel unter dem Schnee hängen blieb, stürzte, sich etwas brach und seinen Reiter abwarf. 

Als der Weg sich öffnete und man zur Seite ebenen Boden unter hohen Buchen sah, jagte das geängstigte Tier mitten hinein in den Wald. Anfangs  boten die Buchen genügend Platz. Es gab kaum Unterholz. Doch allmählich wurde der Baumbestand enger. Eichen und andere Bäume mischten sich mit  den Buchen. Büsche und Dornen verlegten den Weg. Mehr als einmal machte Ares eine scharfe Wendung, wenn sich ihm ein Hindernis in den Weg stellte. Halsbrecherisch war dieser Ritt. Ein ums andere Mal dachte der Hauptmann, dass es ihn von Ares Rücken schleudern würde. Doch er hielt sich so gut es ging. Bis das Tier auf eine Engstelle zwischen zwei Bäumen zu raste. 

Ralph sah das Unvermeidliche kommen. „Ares, es reicht, halt an!“ donnerte der Hauptmann. Mit festen Schenkeldruck versuchte er das Tier abzubringen. Doch Ares reagierte auf keine der Hilfen. Ralph duckte sich auf den Rücken seines Pferdes, dennoch erwischte ihn ein tiefhängender Ast  und schob ihn aus dem Sattel. Er stürzte mit einem Schrei zu Boden. Der Schnee federte seinen Sturz ab, trotzdem kam er mit dem Steiß hart auf einem Stein auf, der unter der weißen  Decke versteckt lag. Der Schmerz jagte die Wirbelsäule hinauf bis ins Hirn. Für einen Augenblick schien alles Denken unmöglich. Er lag nur da und atmete gegen die Wellen an Schmerz und Übelkeit an. Dennoch konnte er von Glück sagen, dass es nicht sein Schädel gewesen war, der an dieser Stelle aufschlug.

Das Tier, seiner Last entledigt, ging auf und davon. Ralph fluchte, während der nasse Schnee seinen Mantel innerhalb von Augenblicken durchweichte. Mühsam rappelte er sich auf und rief seinem Pferd hinterher: „Bleib stehen, Ares! Du verdammtes Mistvieh!“

Der Gaul scherte sich nicht um das Gebrüll seines Herrn und jagte weiter. Ralph konnte gerade noch den Schweif um die nächste Kurve biegen sehen. Das wilde Hufgetrappel hallte eine Weile durch den Wald, dann wurde es allmählich still. Ralph stand und zitterte. Vor Kälte und Wut. Unwillig knurrend schüttelte und klopfte er den Schnee von seinem Mantel und machte sich daran, sein Tier einzuholen. Irgendwo musste das Mistvieh ja stehen bleiben. Er konnte nur hoffen, dass er vor Einbruch der Dunkelheit fündig wurde und ihm dann noch Zeit blieb ein Obdach zu finden.


Die Hoffnung trog. Unter den Bäumen wurde es schneller dunkel als ihm lieb war. Schon bald konnte er die Spur kaum noch erkennen. Dann gab es eine Stelle, die fast frei von Schnee war, wie auch immer das sein mochte, und er verlor die Spur ganz. So sehr er auch suchte, er fand weder Ares, noch seine Hufspuren. Es war wie verhext. Inzwischen wurde es so dunkel, dass es gefährlich wurde auch nur noch einen Schritt zu tun. Trotzdem stapfte Ralph verbissen vorwärts, die Hände vor sich ausgestreckt, um nicht gegen einen Baum zu rennen. Zweige schlugen ihm ins Gesicht. Wurzeln ließen ihn stolpern. Der Wald hatte sich gegen ihn verschworen. Er spürte, wie Verzweiflung in ihm aufkam. Ares zu finden, schien aussichtslos. Er konnte nur ahnen, wie weit das rasende Pferd gelaufen war. Und er musste sich eingestehen, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wo genau er war. Wie tief drin im Sherwood. Oder wo der Weg zu finden war, geschweige denn der nächste bewohnte Ort. Er zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen. Er schimpfte auf Ares, der ihn abgeworfen hatte. Und auf den Sheriff, der ihn bei dieser Eiseskälte und dem tiefen Schnee nach draußen gejagt hatte wie einen räudigen Köter. 

Tatsächlich war der Schnee so tief, dass er ihm zuweilen oben in die Stiefel geriet. Seine Zehen waren nass und kalt. Er spürte sie kaum noch. Und es gab keinen Ort, an dem er ruhen konnte. Ralph malte sich aus, wie er an einen Baum gelehnt, kauerte. Einschlief. Und erfror. Er wusste, es war so kalt, dass er vermutlich den nächsten Morgen nicht erleben würde. Selbst sein gefütterter Wollmantel und die Kaninchenfelldecke, die er umgelegt hatte, wärmten nicht genug, um ihn vor diesem Wetter zu schützen. Also quälte er sich weiter vorwärts. Wie viel Zeit verging, konnte er nur vage schätzen. Ob er im Kreis ging, blieb ihm verborgen. Nur nicht stehen bleiben. Weiter. Immer weiter. Laufen, gehen, sich bewegen. Das alleine hielt ihn warm.

So stolperte er mehr schlecht als recht vorwärts als plötzlich der Boden unter ihm wegbrach.

Er schrie. Und fiel. Holz und Schnee prasselten mit ihm in die Tiefe. Er prallte gegen eine unregelmäßige Wand. Dumpf wich ihm die Luft aus den Lungen. Sein Kopf schlug hart auf. Etwas Spitzes traf sein Bein. Schmerz zuckte auf, Übelkeit überspülte ihn und dann wurde es schwarz um ihn. Schwärzer als die Nacht, die ihn zuvor umgeben hatte.
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BeitragThema: Re: Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode   Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode EmptyDo März 04, 2021 1:33 pm

Stöhnend erwachte er. Schmerz war das Erste, das er fühlte. Und eine erschreckende Taubheit in Zehen und Fingern. Sein Kopf dröhnte. Sein rechtes Bein war merkwürdig verrenkt und fühlte sich an, als sei es aufgespießt worden. Es war dunkel um ihn, bis er begriff, dass er die Augen noch geschlossen hielt. Als er sie aufschlug, musste er blinzeln. Das bleiche Licht eines neuen Wintertages stach ihm in den Schädel. Er ächzte. Die Helligkeit war unerträglich und er beschloss, die Augen vorerst wieder zu schließen. Aber da war die Ungewissheit. So zwang er sich schließlich mühsam, sich an das grelle Licht des grauen Tages zu gewöhnen. Nach und nach wurde es besser. Er sah sich um, versuchte seine Lage abzuschätzen. 

Er hockte in einem tiefen Loch. Der obere Rand schien mehr als zwei Meter über ihm. Die Wände gingen senkrecht nach oben und sahen nicht so aus, als könne man sie erklettern. Etwa drei mal drei Yards im Geviert war die Grube. Geäst und Schnee hatten sie zugedeckt und waren nun mit ihm in die Tiefe gestürzt. Vermutlich eine Wolfsfalle. 

Sein Blick kehrte von der Betrachtung seiner Umgebung zu ihm selbst zurück. Was war mit seinem Bein? Ralph hätte am liebsten aufgeschrien, als er sah, was den stechenden Schmerz verursachte. Ein Pflock hatte sich beim Sturz in sein Bein gebohrt und ragte nun wie ein monströser Pfeil heraus. Er schluckte schwer und sah weg. Seine Fäuste ballten sich. 

Oh verdammt. Seine Lage sah überhaupt nicht gut aus. Die Kälte setzte ihm zu, dazu der Kopfschmerz und die Beinwunde. Ohne Pferd. Mitten im Sherwood. In einer Grube für Wölfe gefangen. Verletzt. Und alles bei dieser verfluchten Kälte.

Er überlegte, was er tun konnte. Wenn er den Pflock entfernte, war es fraglich, ob er die entstehende Blutung würde stoppen können. So verschloss das Holz die Wunde wie ein Pfropf und verhinderte einen übermäßigen Blutverlust. Ralph biss sich auf die Lippen und beschloss, das Bein so zu lassen, wie es war. Aber irgendetwas musste er tun. Aufstehen. Versuchen, ob er doch den Rand über sich erreichen konnte. Verbissen mühte er sich, sich zu erheben. Trotz der Kälte trat ihm Schweiß auf die Stirn. Der Schmerz schien schier unerträglich. Das verletzte Bein trug sein Gewicht nicht. Ob ein Knochen verletzt war? 

Schließlich schaffte er es. Er stand. Das Gewicht weitestgehend auf dem gesunden Bein. Er streckte die Hände aus, doch nirgends reichte er soweit, dass er den Rand des Loches erreichen konnte. Klettern schien mit dem verletzten Bein ausgeschlossen. Dennoch wollte er es ausprobieren. Alles war besser, als nichts zu tun. Er suchte nach einer Stelle, wo es möglich schien. Tastete mit den Händen, um einen Halt in der Wand zu finden. Aber obwohl der Boden gefroren war, bröselte ihm das Erdreich entgegen. Steine lösten sich und polterten in die Tiefe. 

Er machte einen zweiten Versuch. Die Tatsache, dass er sein Bein nicht gebrauchen konnte, machte es jedoch aussichtslos. Er knurrte. Und fluchte. Auf Ares. Auf den Sheriff. Auf das verdammte Loch und dessen Erbauer. Er war verdammt noch mal kein räudiger Wolf. 

Ralph ließ sich wieder an der Wand zu Boden sinken. Ungefragt stieg Verzweiflung in  ihm auf. Ihm war so kalt, dass er nicht einmal mehr zittern konnte. Finger und Zehen fühlten sich an wie abgestorben. Auch die Nase und die Ohren spürte er kaum noch, obwohl er sich ein Tuch um Mund, Nase und Ohren gewickelt hatte. Die Aussicht hier elendig zu erfrieren, gefiel ihm keineswegs. Aber sich aus eigener Kraft zu befreien, schien ebenso unmöglich. So konnte er wohl nur hoffen, dass der Konstrukteur der Falle kam, um zu kontrollieren, ob sich Beute in seiner Grube gefangen hatte. Und wie lange das dauern konnte, stand in den Sternen. Vermutlich war er längst eine steif gefrorene Leiche, wenn man ihn fand. Er schloss die Augen und gab sich seiner Verzweiflung hin.

Wie gerne hätte er jetzt gebetet. Aber da waren keine Worte. Sein Verstand schien blank gefegt. Er versuchte sich an Psalmen zu erinnern. Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir, hieß es nicht so in einem Psalm Davids? Wie passend. 

Er hielt sich an die verschwindend geringe Hoffnung, dass man ihn finden könnte. Doch da niemand nach ihm suchen würde, wie sollte ihn jemand finden. Noch dazu so abseits der Wege. Der einzige, der hier lang käme, mochte ein Wildhüter sein. Oder ein Geächteter. Hood vielleicht gar. Er schluckte schwer bei dem Gedanken, dem einen Geächteten in die Hände zu fallen, den er so glühend hasste und der ihm wohl tausend Mal den erdenklich schrecklichsten Tod wünschte. Vermutlich würde er ihn einfach hier unten lassen und genüsslich abwarten bis er verreckte.

Er schnaubte unwillig und versuchte die Finger zu bewegen und so etwas Wärme zurück zu zwingen. Doch es half nur wenig. Mutlos schloss er die Augen. Oh wie er es hasste so zur Untätigkeit verdammt zu sein. Unfähig sich selbst zu helfen. Darauf wartend, dass der Tod oder sein Erzfeind ihn holte.

Vielleicht sollte er einfach schlafen und sich seinem Schicksal ergeben. Vielleicht war es gnädig und er erwachte einfach nicht mehr. Doch das widersprach Ralphs Kämpfernatur. Er wollte etwas tun. Und so zwang er sich erneut auf die Beine. Suchte nach einem Ausweg. Bis Schmerz und Erschöpfung ihn wieder in die Knie zwangen. Es wurde bereits dunkel. Nun würde niemand mehr kommen und der nächste Tag würde einen toten Hauptmann in einer schäbigen Wolfsfalle finden.
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BeitragThema: Re: Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode   Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode EmptyDo März 04, 2021 1:39 pm

Der Traum war lebhaft. Zum Greifen nah hing ein Gesicht über ihm. Es kam ihm vage bekannt vor. Und er wusste, es bedeutete nichts Gutes. Aber zugleich verschwamm es so vor seinen Augen, dass es nicht greifbar war.

„Ist er tot?“ Eine Stimme aus dem Nichts.

Ein Kopfschütteln des Gesichtes über ihm. „Er lebt! Noch! Aber wenn wir nichts tun, dann dauert es wohl nicht mehr lange bis die Kälte ihn holt!“


„Lass ihn verrecken, Robin! Es lohnt nicht, sich auch nur irgendeine Mühe mit dem Scheißkerl zu machen!“

ROBIN. Der Name schlug wie ein Wurfgeschoss in seinem Verstand ein und mit einem Mal wusste er, wer sich über ihn beugte. Hood. Es war Robin Hood! Und ihm wurde bewusst, dass er tatsächlich Stimmen hörte. Dies war kein Traum, dies war Realität und sie verhandelten gerade um sein Leben. Jetzt erkannte er auch, wem die andere Stimme gehörte. Scarlett.

„Will, das kommt nicht in Frage! Wir ziehen ihn hoch und bringen ihn ins Lager. Soll Marion sehen, ob sie ihn wieder auf die Beine bringt! Dann können wir immer noch entscheiden, was wir mit ihm tun!“


„Du spinnst! Er  ist der schlimmste Feind, den wir haben. Schlimmer als Gisburne, der Sheriff und der Abt zusammen! Lass ihn hier und die Sache erledigt sich von allein. Hätten wir ihn nicht gefunden, wäre er spätestens morgen eine zu Eis erstarrte Leiche. Und du willst ihn stattdessen gesund pflegen, um dann was zu tun? Willst du den gesunden Hauptmann erschießen oder aufbaumeln?“

„Halts Maul, Will, hilf mir lieber!“

Jemand machte sich an ihm zu schaffen.

Nein nicht jemand. Hood. Ralph wollte etwas sagen. Protestieren. Sich wehren. Doch es kam kein verständlicher Laut aus seinem Mund. Nur ein Stöhnen. Seine Glieder gehorchten ihm nicht. Selbst das Denken war wie Waten durch dicken Morast. So konnte er nur geschehen lassen, was sie mit ihm taten. Hood werkelte eine ganze Weile an ihm herum und zerdrückte dabei Flüche zwischen den Lippen.

„Glaub ja nicht, dass ich das deinetwegen tue!“ murmelte der Gesetzlose leise.

Schließlich stieß er einen Pfiff aus. „Fertig! Ihr könnt ziehen!“

Was dann folgte, war eine unangenehme Prozedur. Irgendetwas presste Ralph plötzlich den Brustkorb zusammen, er keuchte auf. Es schnitt in seine Achselhöhlen ein, als der Zug noch stärker wurde. Er scheuerte an der Wand entlang, an die er sich angelehnt hatte. Tatsächlich ging es aufwärts. Er baumelte an einem Strick, sein Rücken, sein Kopf schlugen immer wieder an die Wand des Lochs, aber Ralph spürte es kaum. Sein ganzer Körper war taub vor Kälte. Jemand nahm ihn oben in Empfang und zog ihn das letzte Stück hinauf. Unsanft ließ er ihn im Schnee liegen.


Ein neuerlicher Pfiff.

Kurze Zeit später stand Hood neben ihm. Erkennen konnte Ralph das nur an den Hosenbeinen, die in Lederstiefeln steckten und der Stimme. „Wickelt ihn in eine Decke und dann ab mit ihm auf ein Pferd.“

„Er wird nicht reiten können!“, warf jemand ein, der weder Will noch Robin war. Ralph kam nicht darauf, wem diese tiefe Stimme gehörte.

"Nein, vermutlich nicht! Wir schnüren ihn eben wie ein Bündel fest!“ Das war Hood. Dieser vermaledeite Bastard. Wenn diese elende Kälte nicht sein Denken eingefroren hätte, dann… dann hätte er ihm eine geharnischte Antwort gegeben. So kam kein Ton über seine tauben Lippen.

Ruppige Hände machten sich an ihm zu schaffen. Seine Muskeln zuckten nutzlos. Eine erfolgreiche Gegenwehr war ausgeschlossen. Schließlich hing er wie ein Mehlsack über einem Pferderücken. Der Druck auf den Magen verursachte Übelkeit. Sein Kopf hing herab. In seinen Ohren pulsierte sein Herzschlag. Er wollte die Augen offen lassen, sehen, wohin es ging.  Nach wenigen Schritten des Pferdes wurde ihm speiübel und er musste sie schließen. Obwohl er dagegen ankämpfte, spürte er, wie ihm das Bewusstsein schwand. Das Schwanken unter ihm nahm ihn mit. Hinein in tiefste Schwärze. Bis keine Empfindung mehr blieb. Selbst das Schwanken verlor sich im Nichts.
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BeitragThema: Re: Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode   Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode EmptyDo März 04, 2021 1:50 pm

Als er wieder erwachte, badete sein Körper in Schmerz. Tausende Nadeln stachen ihm in die Haut. Hitze umflutete ihn und zugleich saß ein Schlottern und Zittern in jeder Faser seines Seins. Ihm war kalt. Elend kalt. Jemand machte sich an ihm zu schaffen. Zarte Hände. Wie Flügelschläge auf seiner Haut. Jede einzelne Berührung brachte ihn zum Beben. Heiß und kalt überschauerte es ihn. In seiner Kehle saß ein Husten, dass er zu unterdrücken suchte. Er wollte nicht, dass sie bemerkte, dass er erwacht war. 

Sie machte sich an seinem Bein zu schaffen, tastete, fühlte und murmelte unzufrieden. Dann ließ sie ab von ihm und schien Utensilien und Kräuter bereit zu legen. Schließlich rief sie: „Robin, ich brauche eure Hilfe! John soll ihn halten! Und du musst diesen Pflock heraus ziehen! Das schaffe ich nicht allein!“

„Ist er wach?“ kam die Gegenfrage von Robin. Ralph erkannte ihn an der Stimme.

„Ich glaube nicht!“ antwortete die Frau. Marion of Leaford.


„Na, dann wird‘s ein böses Erwachen!“ Das war Will Scarlett. „Der Schmerz wird ihn schnell ins Diesseits befördern. Es sei denn, er ist eh schon so hinüber, dass er nie wieder erwachen wird! Was wohl das Beste für uns alle wäre! Ich halte es immer noch für ausgemachten Blödsinn, dem Kerl auch nur einen Finger zur Hilfe zu reichen! Glaubst du, er wird dir deshalb auch nur einen Deut dankbar sein? Oder dich laufen lassen anstatt dich aufzuhängen, wenn er dich je erwischen sollte?“

„Will, halt‘s Maul. Das verstehst du nicht! Es war unsere Falle… und sie sollte nicht Menschen sondern Wölfe fangen! 

„Er ist doch schlimmer als jeder Wolf!“ knurrte Scarlett.

„Will, es reicht jetzt! Ich habe meine Gründe, das weißt du! Hilf lieber mit!“


„Na schön, tut, was ihr nicht lassen könnt, aber erwartet nicht, dass ich auch nur einen Handschlag tue, um zu helfen!“ Ralph hörte wie sich missmutige Schritte entfernten. Von Robin kam ein ungeduldiges, unwilliges Schnalzen.

Dann packten Ralph grobe Hände, dass ihm Hören und Sehen verging und alles Denken verwischte. Schmerz brandete auf als jemand – vermutlich Hood selbst – den Pflock fasste. Ralph biss die Zähne zusammen in Erwartung dessen, was kommen würde. Er wollte nicht schreien, sich keine Blöße vor diesen Barbaren geben. Doch als Hood an dem Holz ruckte, übermannte ihn die Welle des Schmerzes so, dass sein Gebrüll kaum noch menschlich war. Er keuchte. Von seinem Bein gingen glühende Spuren durch seinen ganzen Körper, es stach ihn bis ins Hirn, ins tiefste Mark. Seine Ohren dröhnten. Die Stimmen um ihn herum blieben eine Weile unverständlich. Übelkeit überspülte ihn und der Schmerz lief in heißen Wellen durch seinen Körper. Wie sehr hätte er sich jetzt die gnädige Ohnmacht zurück gewünscht. Doch natürlich konnte man ihr nicht befehlen wie einem Soldaten. 

Marion hantierte weiter an seinem Bein. Es war, als schütte sie flüssiges Feuer in die Wunde. Schweiß stand ihm jetzt auf der Stirn. Ein Gefühl von Unwirklichkeit streifte ihn. Nach einer unendlich scheinenden Zeit beendete Marion das, was sie mit seinem Bein tat. Der Schmerz ebbte nur ganz allmählich ab.

Sie verlagerte ihren Sitz in die Nähe seines Kopfes. „Öffnet die Augen, Mylord de Warenne, ich weiß, dass ihr wach seid!“ Ihre Stimme klang fest und entschieden. Unwillkürlich gehorchte er und schlug die Augen auf. 

Ihre Schönheit war atemberaubend. Rote Locken umstanden ihren Kopf und wirkten im Schein des Feuers, als seien sie selbst lodernde Flammen. Ihre Gesichtshaut war blass mit etlichen Sommersprossen, ihre Lippen, fein geschwungen, hielt sie geschlossen und die grünen Augen funkelten ihn an. War das Belustigung oder Herausforderung oder Triumph? Er konnte es nicht deuten.

„Ihr habt Glück, Hauptmann!“

„Glück?“ Er schnaubte unwillig. „Ich kann hier kein Glück erkennen!“ Seine Stimme kratzte heiser. Bitterkeit vergiftete seine Gedanken. Düster starrte er sie an. 


„Nun, vermutlich werdet ihr euer Bein behalten! Und überhaupt, ihr seid nicht dort draußen erfroren!“ In Marions Worten schwang ein wenig Ungeduld und Unverständnis mit. „Ich denke, ihr solltet dankbar sein!“
Glück. Es war also Glück gewesen, dass de Rainault ihn ganz eigennützig in diese Kälte gejagt hatte. Glück, dass Ares ihn so sanft wie nur möglich abgeworfen hatte. Glück, dass er in diese vermaledeite Falle getreten und abgestürzt war. Glück, dass sein Bein verletzt war und Glück, dass der ärgste seiner Feinde ihn herausgezogen und seinen Tod somit noch ein wenig hinausgezögert hatte. Denn umbringen würde er ihn ganz sicher, nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war. Und noch dazu hatte er nun Glück sich von einem geächteten Weib belehren lassen zu dürfen. Es wollte sich keine Dankbarkeit einstellen.

„Mylady of Leaford, es tut mir beinahe leid, euch enttäuschen zu müssen! Aber ich bin alles andere als dankbar. Und von Glück kann ich ganz und gar nicht reden! Im Gegenteil! Seit de Rainault … ach verflucht, was rede ich überhaupt mit euch… jedenfalls bin ich eher vom Pech verfolgt als vom Glück gesegnet. Und wäre euch sehr verbunden, ihr ließet mich mit meiner schlechten Laune alleine!“ Er war immer ungehaltener geworden. Marions Gesicht verzog sich bei seinen Worten merklich. 

„Euch ist nicht zu helfen, de Warenne! Aber ich sage euch eins, wenn ich mich jetzt entferne, werdet ihr keinen schmerzlindernden Trank erhalten! Dann müsst ihr sehen, wie ihr mit euch selbst klar kommt! Ich muss euch nicht helfen! Wenn ich es dennoch tue, erwarte ich ein Mindestmaß an Höflichkeit und Anstand!“

Er schluckte schwer und biss sich auf die Lippen. Mühsam würgte er ein. „Verzeiht, Mylady!“ hervor. Sie hatte Recht, er konnte es sich nicht leisten wählerisch zu sein oder unhöflich. Seine Hände zuckten neben seinem Körper. Oh, wie er es hasste, derart ausgeliefert zu sein. Viel lieber wäre er dem Weibsbild an die Gurgel gegangen, um sie zu erwürgen, als sich von ihr aufpäppeln zu lassen. 

Marion akzeptierte seine Entschuldigung und nickte ihm beinahe freundschaftlich zu. Sie schien seine Gedanken also nicht gelesen zu haben. Dann reichte sie ihm einen Becher mit einem fürchterlich riechenden Gebräu.

„Was ist das? Wollt ihr mich vergiften?“, brach es unwillkürlich aus ihm heraus.

Ihr Blick war klirrend kalt. „Nur zu gern, Mylord! Aber nein, dies ist ein Trank gegen eure Schmerzen. Er lässt euch schlafen und fördert die Heilung! Ihr könnt es jedoch auch aus dem Hals lassen, wenn ihr mir nicht traut!“ Damit erhob sie sich und rauschte mit wehenden Röcken davon.

Ralph atmete tief durch. Nur kurz überlegte er noch. Es machte keinen Sinn, dass sie zum Einen sein Bein behandelten und ihn warm einpackten, um ihn im nächsten Atemzug zu vergiften. Er stützte sich schwerfällig auf einen Arm auf, setzte den Becher an den Mund und leerte ihn in einem Zug. Es schüttelte ihn. Fast hätte er das Zeug wieder von sich gegeben. Er beherrschte sich gerade noch und sank schnaufend zurück in die warmen Felle.
Es dauerte nicht lang und er dämmerte weg.
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BeitragThema: Re: Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode   Adventskalendergeschichte 2019: Winterepisode EmptyDo März 04, 2021 1:54 pm

Hitze. 
Er verglühte wie ein Leuchtwürmchen. 
Der Wald brannte. 
Er rannte, doch die Flammen waren überall. 
Krachend fiel ein brennender Baum vor seine Füße und versperrte ihm erneut den Weg. 
Hood lachte. 
Ich kriege dich. Egal wohin du dich wendest, ich kriege dich. 
Das Lachen hallte dumpf in seinem Schädel. Es war überall. Ein Dröhnen, als wäre er mit dem Kopf gegen eine Kirchturmglocke gerannt.
Ralph keuchte. 
Feuer. Rot und pulsierend, unerträglich heiß. Und kein Wasser, die Flammen zu löschen.
Die Glut war in seinen Lungen. Er atmete Hitze. Feuerseen säumten seinen Weg. Der Fluss, zu dem er sich schon hinab gebeugt hatte, um zu trinken, verwandelte sich in flüssige Glut. Durst. Unerträglicher Durst. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Er wollte schreien, doch kein Ton kam über seine Lippen. Verzweifelt stolperte er vorwärts. Er lief durch Brände. Spürte, wie es ihn versengte, verbrannte, verzehrte. So musste die Hölle sein.

Dann änderte sich das Bild. Er stand auf einem riesigen Schachbrett. Neben und um ihn die Figuren des Spiels. Überlebensgroß. Platz da, wieherte das Pferd. Er konnte gerade noch einen Sprung zur Seite machen, ehe das weiße Pferd auf dem Feld landete, auf dem er eben gestanden hatte. Er sah sich um, versuchte einen Weg zu finden, das Spielfeld zu verlassen. Doch während er sich umsah, geriet das Brett in Schieflage. Die Figuren begannen zu rutschen. Und er mit. Er ruderte mit den Armen, machte unbeholfene Schritte, versuchte das Gleichgewicht zurück zu erlangen, aber das war gar nicht so einfach, wenn man gleichzeitig durcheinander polternden Bauern ausweichen musste. War das dort nicht Edward? Aber er wirkte merkwürdig so in Holz. 

Plötzlich war da der schwarze Turm neben ihm. Und wuchs ins Unermessliche, wankte und drohte ihn zu zerquetschen. Er versuchte auszuweichen. Doch es war, als hätte ihn jemand auf das Schachbrett genagelt. Der Turm fiel. Steine polterten herab. Trafen ihn. Ralph schrie. Der Boden unter ihm wich zurück und er fiel ins Nichts. 

Ein harter Aufprall ließ ihn erwachen. Schmerz zuckte durch sein Bein und seine rechte Seite. Sein Kopf dröhnte und ihm war heiß.
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